Eigenwillige Methoden – aber nicht für jeden

Hans W. aus Rotterdam erzählte mir einmal von seinem Mallehrer an der Akademie: “Er stellte ein paar Flaschen, Gläser u. dgl. auf einen Tisch und sagte: ‘das ist ein Stillleben. Es empfängt Licht und wirft Schatten. Bitte fangen Sie an’. Daraufhin verschwand er für Stunden, bevor er sich zur Kontrolle der Ergebnisse  wieder einfand.“

Dies erinnert ein wenig an Flaubert als Pädagogen: der setzte den jungen Maupassant mit Schreibzeug vor einen Blumenstrauß und schloss ihn in ein Zimmer ein, bis der angehende Schriftsteller einen Text über das Blumenbouquet zu Papier gebracht hatte.

Mancher würde vielleicht bei solchen Verfahrensweisen den Mut verlieren. Aber ich kenne auch erfolgreiche Künstler, die als besondere Qualität ihres Lehrers hervorhoben: “der hat uns in Ruhe gelassen“.

 

 

 

Vom Glück, sich in der Arbeit vergessen zu können

Neulich las ich bei Nádas: “. . . Sorgsam mache ich jeden Tag etwas, das ich nicht nur nicht begründen kann, sondern für völlig sinnlos halte . . .

Schreiben ist das Einzige, was mir geblieben ist. Eine halbe Stunde, eine volle Srunde im Anschluss an die tägliche Vorbereitungszeit; danach die Erschöpfung. Es ist eine große Freude, so etwas machen zu dürfen–. Man verliert die Körperschwere, man beschäftigt sich nicht mehr mit dem Selbst, sondern überschreitet seine Genzen – und das ist das Einzige, was in der Welt zählt . . .“

 

Edel geschwungenes Fallrohr

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Porticus, heute Literaturhaus Frankfurt, Südwestecke.

Bei einer Gesamtansicht fallen dergleichen Details kaum auf, wie wir sie ja gewöhnlich auch beim Gedanken an interessante Gebäude ausblenden, sofern sie nicht wie die mittelalterlichen Wasserspeier eine architektonisch markante Rolle spielen.

Ob nun interessant oder nicht, diese Installationen sind notwendig und werden von der Bauaufsicht eingefordert. Wenn Fallrohre nachträglich angebracht werden, wie es anscheinend hier geschah, stellt sich für Architekt und Installateur eine Aufgabe, die sie oft leider überforfert.  Wie man an meinem Beispiel sieht, geht es dabei um nicht weniger als um ein Zusammenwirken von Bildhauerphantasie und Handwerksperfektion.

 

 

Schwierige Symbiose

So ist das doch seit eh und je: Bürger und Chaoten hassen sich gegenseitig.

Dialektisch gesehen sind sie aber aus materiellen und psychologischen Gründen zwingend auf einander angewiesen. Sie hätten also allen Grund, die jeweils Anderen zu fördern.

Dem steht nun wieder entgegen, dass einer kein richtiger Bürger ist, wenn er zu viel Verständnis für die Chaoten hat, und umgekehrt macht sich ein Chaot unglaubwürdig, sobald er sich auf das Einhalten von Regeln einlässt. Die Kontrahenten müssen hassenswert bleiben.

Offenbar geht es also nur darum, den unvermeidlichen Konflikt in einer erträglichen Balance zu halten?

“talibanesk“

Noch vor nicht langer Zeit war die Rede davon, dass Kunstschätze aus unseren Museen in das Land ihrer Entstehung zurückgeführt werden könnten; besonders auf die Büste der Nofretete hatten es die Ägypter abgesehen.

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Wie gut, dass aus diesen Absichten (vorerst) nichts geworden ist.

In der heutigen SZ liest man in einem Bericht über Abdel-Aziz, den neuen, den Muslim-Brüdern nahe stehenden Kultusminister:

“. . . Vielfalt hat im Kultur- und Kunstbegriff politisierender Islamisten keinen Platz: weder die pharaonische noch die christlich-koptiche Kultur, geschweige die afrikanische oder die modern-säkulare.

Die radikalsten unter den Predigern versteigen sich zu talibanesken Ideen. Sie wollen die altägyptischen Statuen entweder zerschlagen oder die Figuren mit Wachs überziehen, . . .: Reinheitsphantasien für den öffentlichen Raum . . .“

 

Unsichtbar – und doch vorhanden

Was uns in unzählbaren Momenten die Lebenserfahrung lehrt: wir verlassen uns auf unser Wissen von etwas, auch wenn es für uns sinnlich nicht erfassbar ist. Vermutlich wird allgemein unterschätzt, was wir alles “auf gut Glück“ ergänzen. Entsprechend heftig der Schock, wenn unsere Erwartungen enttäuscht werden.

Wie das Ergänzen funktioniert, kann jeder leicht  am Beispiel einer Graphik überprüfen:

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Spontan wird man in dem eingerahmten Feld* zwei Gegenstände sehen: eine torartige Form und dahinter  etwas waagerecht Liegendes.

Zweifel an dieser simplen Betrachtung kommen erst auf, wenn ich frage, wie viele Flächen in dem eingerahmten Feld zu sehen sind,   2, 3, 4, 5, oder 6?  –  und Zweifel müssen bei genauer Betrachtung auch aufkommen,  wenn man sich fragt, ob das, was hinter dem “Tor“ liegt, vielleicht gar nicht aus einem zusammenhängenden Stück besteht.

*) nicht der äußere, dünne Rahmen, den mir hier die Technik ungefragt um das gezeichnete Rechteck legt.