Wer in früheren Zeiten als Besucher Zugang zu den fürstlichen Wunderkammern hatte, bestaunte die Ansammlung ungewöhnlicher Objekte: seltsame Kostbarkeiten, merkwürdige Fundstücke, geheimnisvolle Gerätschaften, exotische Instrumente, magische Aufzeichnungen usw.
Was genau den Besucher erwarten würde, konnte er im Voraus kaum ahnen; aber er durfte damit rechnen, dass er aus dem Staunen nicht mehr heraus kommen würde.
Keine der bisherigen documenta-Ausstellungen entsprach so sehr dem Wunderkammer-Konzept wie die diesjährige, die Dreizehnte.
Schönes Beispiel dafür, wie die Kunst dem Wundern dient:
Optische Täuschung, eine Arbeit des Albaners Anri Sala.
Die Uhr scheint quer über den Weg zu stehen. Tatsächlich aber ist das Zifferblatt parallel zum Weg aufgestellt, wie in der Skizze:
Angeregt zu dieser Freiluft-Figur wurde der Künstler durch ein Exponat der fürstlichen astrophysikalischen Sammlung in Kassel:
Hier hat ein Maler den Realismus der Darstellung durch Einfügen einer Uhr noch steigern wollen; aber spätestens beim zweiten Blick erkennt man, dass sich das “echte“ Zifferblatt nicht in die Perspektive des Bildes einfügt. Wie das Problem lösbar gewesen wäre, hat Anri Sala mit seiner Arbeit sehr schön und überzeugend demonstriert.
Fazit: hoher Unterhaltungswert; aber gilt das wirklich als Dokument des Entwicklungsstands der zeitgenössischen Weltkunst?