Krumme Wege

In Krimis kommt es  oft genug vor, dass nicht alles legal ist, was zur Lösung des Falls angewendet wird: sei es, dass der Detektiv ein enges Verhältnis zu einer Sekretärin hat, die über die notwendigen Informationen verfügt, sei es, dass jemand dem Kommissar aus persönlichen Gründen zur Dankbarkeit verpflichtet ist und deshalb etwas Wichtiges preisgibt.

Wahrscheinlich lässt sich an solchen Beispielen ein augenzwinkerndes Einverständnis und eine Gewöhnung an eine in der Praxis allgegenwärtige Doppelbödigkeit des Rechtsbewusstseins ablesen.

Das könnte vielleicht das achselzuckende Hinnehmen von illegalen Maßnahmen erklären, die angeblich zur Sicherheit der Bürger erforderlich seien.

Nun sind aber die zu beklagenden Verstöße gegen die Persönlichkeitsrechte durch die NSA keine kleinen Nacht-und-Nebel-Aktionen (“ein wenig außerhalb der Legalität“), sondern es handelt sich um heimlich angeordnete und staatlich (verdeckt) finanzierte Aktionen in großer, umfassender Weise, und es ist sehr die Frage, ob man noch von einem Rechtsstaat reden kann, in dem solche Verhältnisse herrschen und  für unbedenklich gehalten werden.

Edward Snowdens Motive kennen wir nicht; aber er hat seine Existenz riskiert, als er durch seine Veröffentlichungen das Selbstverständnis des westlichen Systems fragwürdig erscheinen ließ.

Wenn er jetzt als Verräter beschimpft und gejagt wird, sollte man sich z.B. an die Geschwister Scholl erinnern, die wir für ihren Mut bewundern und die an einem Staat zu Verrätern wurden, der sich für einen Rechtsstaat hielt.

4 Gedanken zu „Krumme Wege

    • Ja, Marc, wo wäre der alles überschauende Schiedsrichter, der dem längst Vorverurteilten Gerechtigkeit und Schutz gewährleisten könnte?

  1. Du gehst zu weit, wenn Du Snowden mit den Geschwistern Scholl vergleichst, die gegen einen vermeintlichen „Rechtsstaat“ rebelliert hätten. Die Nazidiktatur, in der ein Herr Freisler in seinem „Volksgerichtshof“ wütete und nach dem „gesunden Volksempfinden“ Systemgegner liquidierte, kann man bei aller Kritik nicht mit den Verhältnissen in den USA auf eine Stufe stellen.
    Alle „Dienste“ überschreiten gesetzliche Grenzen. Dagegen sollten wir uns mit allen politischen und rechtlichen Mitteln wehren, auch den USA gegenüber, und sollten Snowden vor Bestrafung schützen. Aber die USA sind doch immer noch ein funktionierender Rechtsstaat mit erheblichen Selbstreinigungskräften, den wir nicht leichtfertig in die Nähe diktatorischer Systeme rücken sollten.

    • Danke, lieber Horst, Dein Einwand kommt nicht unerwartet, und ich will gerne meine Einlassung präzisieren:

      Der große Unterschied zwischen der Rechtsprechung in Nazi-Deutschland und in den modernen westlichen Demokratien ist ganz unbestritten. Wer von uns würde nicht, wenn es denn sein müsste, lieber z.B. in Boston vor Gericht stehen, als etwa in Kairo, Lagos oder Pjöngjang?!

      Was aber die erwähnten “Verräter“ durchaus vergleichbar macht, ist die Befangenheit in einer Art Betriebsblindheit, mit der über sie geurteilt wird. Obwohl die US-Administration zwar das universelle Abhören möglichst unauffällig betreibt, hat sie ganz offensichtlich dabei kein Unrechtsbewusstsein, fühlt sich vielmehr im Recht und klagt Snowden als Verräter an.

      Dass es mit der Fairness im westlichen Rechtsverständnis nicht geheuer ist, wird leider auch an der Angst ablesbar, die unsere Politiker daran hindert, wirksam gegen die inzwischen öffentlich bekannten “amtlichen“ Rechtsverstöße vorzugehen.

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