Es ist ein seltsames Erlebnis, einen Text mit der (irrtümlichen) Voraussetzung zu lesen, es handle sich um einen Kriminalroman. Vergeblich erwartet man, irgendwann auf ein Verbrechen zu stoßen, das in der Folge aufgeklärt werden soll.
So ging es mir mit Patrick Modiano – L’horizon, erschienen bei Gallimard.
Statt um Verbrechensaufklärung ging es um philosophische Reflexionen über die Ungenauigkeit von Erinnerungen, um die Unschärfen bei der Begegnung mit Menschen, von denen man meist nicht viel und nie genug weiß. Die handelnden Figuren treten, aus ihrer Anonymität autauchend, vorübergehend ganz vertraut in das Leben des Erzählers und sinken dann zurück in Vergessen und Fremdheit. Schön zu lesen, zumal sich die Handlung in wieder erkennbaren Vierteln von Paris abspielt.