(Bei der Lektüre von John Le Carré – Call for the Dead)
Krimis sollen natürlich vor allem spannende Unterhaltung bieten; aber Krimis, zumal wenn internationale Verwicklungen eine Rolle spielen, sind auch Indikatoren der tatsächlich vorherrschenden Vorurteile und Empfindungen gegenüber unterschiedlichen Gruppen der eigenen Gesellschaft wie auch gegenüber den Angehörigen anderer Nationalität. Fast unmerklich übernehmen die auf die Lösung der Kriminalfälle konzentrierten Leser bei der Lektüre ganz nebenbei die bedenklichsten Vorurteile und Meinungen.
Political Correctness, wie sie im öffentlichen Diskurs überwiegend eingehalten wird, hat offenbar im Krimi nichts verloren: Gewaltphantasien, Sexismus und Machotum, Illegalität verschiedenster Art und anderes mehr werden augenzwinkernd abgehandelt, wie wenn man “unter sich“ ist, und als ob man voraussetzen dürfte, dass korrektes Verhalten nur eine vom Wissenden leicht zu durchschauende Äußerlichkeit wäre.
Haben Krimis vielleicht eine Ventilfunktion für die mühsam unterdrückten asozialen Regungen der ansonsten leidlich sozialisierten Menschen?
Wenn die Ventilfunktion klappen würde, könnten sicher einige Sonderprojekte oder Therapiestunden überflüssig werden.
Gruß M.u.K.