Peter Weber – Bahnhofsprosa*
Was stellt man sich unter einem solchen Titel vor?
Jedenfalls nicht einen so poetisch freien Text, wie ihn diese Lektüre bietet: ein traumhaftes Fortspinnen der Gedankenfäden, wobei stets ihre Ableitung aus sinnlicher Erfahrung und die Bezugnahme auf konkrete Ereignisse spürbar bleibt.
Die zauberhafte Verwandlung, der der Autor die uns gewohnte Welt unterzieht, ist an jeder Stelle des Buches spürbar, zum Beispiel, mitten herausgegriffen aus dem Kapitel Fernweh:
. . Wir pflanzen ein Paradieswäldchen, plündern die Baumschulen, verwenden keine Palmen wie einst, sondern kleine Tannen in Töpfen. Der Wald wird eingezäunt. Wir entlassen Kleinwild, Stadtfüchse, Singvögel und Luchse, setzen einige unserer eilfertigsten Kameraleute aus, frühere Kriegsberichterstatter, sie zeichnen die Verwilderung fortlaufend auf. Die Bilder werden direkt auf alle Bildschirme übertragen, so können wir das Halleninnere neu ergründen. Die Landschaftsgärtner sind die begehrtesten Objekte des Hoffernsehens, Passanten und Publikum wünschen sie bei der Arbeit zu sehen. In der Mitte des Waldes sparen sie eine Lichtung aus, dort errichten Holzbauer und die besten Zuckerbäcker eine große Torte, glasieren einen süßen Gipfel, ein Granithorn, das ganz einfach “Öffentlichkeit“ genannt wird. Wir möchten dieses Wort häufiger verwendet sehen . . .
*) 2002 bei Suhrkamp erschienen