Abreißgedicht

Die Tradition im Frankfurter Literaturhaus, Gedichte zum Mitnehmen an die Wand zu hängen, ist etwas sparsamer geworden, wird aber offenbar auch weiterhin gepflegt.

Diesmal fiel meine Wahl auf Rolf Bosserts

Gartenlaube

Wir sitzen in Städten im Osten.
Man macht Poesie.
Und während die Schreibfedern rosten,
Erklärt sich der Krug zum Genie.

Ich liebe die Herbstzeitlose,
Das tut ihr so gut.
Ich trag den April in der Hose,
Den September unter dem Hut.

Mein Auge kullert im Winde.
Die Wimper fällt um.
Ich rede für Taube und Blinde
So um die Dinge herum.

Die einfache Reimfügung und der wiegende Rhythmus
ließ mich an Volksliedhaftes wie bei Heine denken, aber von den aufgerufenen dinglichen Bildern geht eine verwirrende Unruhe aus: was Sache ist, wird nicht mit Namen genannt.

Erst als ich mir bei Wikipedia ansehe, was man über die Lebensschicksale des Autors weiß, glaube ich besser zu verstehen, um welche Dinge der Dichter “herumredet“.

 

Cui bono?

Das Objekt ist fest in der Wand verankert und in keiner Weise beweglich. Ein solches befindet sich gegenüber der einen oder anderen der zahlreichen Aufzugtüren im Marburger Uniklinikum. Man kann das Gerät (?) weder als Ablage nutzen noch darauf sitzen. Wem und wozu es dienen mag, konnte ich nicht ergründen; aber vielleicht sollte man froh und dankbar sein, wenn in unserer von Zwecken und Sachzwängen geordneten Welt ein derart irritierendes und rätselhaftes Gebilde seinen Platz behaupten kann.