Merkbuchseite

 

261113Gegenzauber
(Collage, digital verfremdet)

Wie man sich behelfen kann, wenn einem Glanzkackewerbung ins Haus flattert und man
die schönen Farben zu schade zum Wegwerfen findet.

 

 

Herausgepickt

Viel zu oft kommt es vor, dass man beim “Überfliegen“ einer Textseite bei einer Stelle für einen Moment innehält, weil man meint, diese gut formulierte Passage sollte man doch etwas gründlicher bedenken; aber mit der Masse alles Übrigen wird auch die bewusste Stelle vergessen. Schade um die guten Gedanken und um die schönen Formulierungen.

In einem Interview  wurde Peer Steinbrück von Kurt Kister (SZ) befragt:

Kister – Sehen Sie Journalisten heute kritischer als vor einem Jahr? 

Steinbrück – Nicht die Journalisten. Aber die Geschwindigkeit und der Wettbewerbsdruck in der Branche haben massiv zugenommen. Es wird täglich um Klicks, Quote und Auflage gekämpft. Die Online-Dienste brauchen alle fünf, sechs Stunden etwas Neues. So ist kaum noch Zeit für Recherche. Bericht und Kommentar verschwimmen, alles wird immer süffiger, banaler, personalisierter.

Ich glaube, dass Politik und Medien nach einer Bundestagswahl einmal gemeinsam beleuchten sollten, was die Banalisierung und Personalisierung auf die Dauer für die demokratische Substanz und für die Bereitschaft von Frauen und Männern bedeutet, sich um politische Mandate zu bewerben.

 

Neues aus dem Atelier


181113

Bagatelle 2013_18
Farbige Mischtechnik auf Papiermontage
Rahmengröße 21 x 21 x 1,6 cm

In starkem Kontrast zu 2013_17: dort die Erwartungshaltung vor der im Ungewissen liegenden Weite – hier die verquere Enge und kümmerliche Zufallswurstelei

Lesefrucht

Ein neues Heft* des Literaturboten liegt vor.
Beim Durchblättern geht es mir wie im Museum,  wo man zwar von den vielen Exponaten Kenntnis nimmt, aber nur zu wenigen Objekten eine Beziehung aufbaut.
Hier war es eine Seite mit “Russischen Gedichten“ von Moritz Gause, zu der ich mehrmals zurückkehrte:

Ein Photo das mir fehlt

ist eines von dem Mädchen
mit dem Bruder, klein
auf einer Holzbank
im Inneren einer Autowaschbaracke
übers Smartphone wischend
unter Neonleuchten, abends um halb zehn

Durch den Kirover Wald

Das Heulen der Wölfe haben sie
ersetzt durch das Singen der Gleise

*) Der Literaturbote Nr. 111, p 58

Panta rhei

In einer seiner Pensées hat sich Pascal darüber beklagt, dass südlich der Pyrenäen für Unrecht gehalten wurde, was nördlich rechtens war. “Was ist das für ein Recht“, so schrieb er, “das von der geographischen Lage bestimmt wird?“

Auch von der Zeit kann es abhängen, welches Urteil gefällt wird:
“Hochverrat ist eine Frage des Datums“, soll Talleyrand gesagt haben, womit er zweifellos Recht hatte, wie sich an unserer jüngeren Geschichte ablesen lässt.

Und was Leute für schicklich oder für ungehörig halten, scheint so zufällig  und unvorhersehbar zu sein wie das Wetter. Wer heute einen der vielen Versandkataloge für Haushaltswaren aufschlägt, stößt früher oder später auf Angebote, die eine Fülle von variantenreichen Sexualhilfsmitteln empfehlen, die anscheinend zur Hygienewirtschaft einer klugen Hausfrau gehören. Vor sechzig Jahren hätten beim Anblick dieser Seiten die Staatsanwälte einschreiten müssen, um die Moral der Gesellschaft zu retten.

Gegenseitiges Verstehen?

Bei jedem Menschen wächst mit seiner Erfahrung der Fundus der unausgesprochenen Voraussetzungen, die er macht, wenn er spricht.

Daraus folgt: je älter einer wird, desto erklärungsbedürftiger, wenn nicht gar rätselhafter, muss für die Anderen alles werden, was er denkt und sagt.

Gleichzeitig  fehlen freilich auch ihm wieder viele der Erfahrungen, auf denen das Denken der Anderen beruht.

“Wir hören jetzt …“

Mit diesen Worten beginnen oft die Sätze der Moderatorinnen und Moderatoren, wenn sie z.B. in einer Magazinsendung Musikstücke ankündigen – und schicksalsergeben lauschen die Hörerinnen und Hörer den mehr oder weniger bekannten Klängen.

Man hat dabei den Eindruck, die jeweils ansagende Stimme verkünde den Ratschluss einer anonymen höheren Macht, der keinerlei Begründung oder gar Rechtfertigung bedarf.

Es wäre natürlich auch schwer, für jedes und alles, was da zu Gehör kommt, eine überzeugende Begründung zu finden.

Zeitzeugnis

P1030793-Kopie

 

Seit Monaten an einer viel befahrenen Straße in Wetzlar zu sehen.

Und in der SZ liest man in Sachen Bilderschatz aus Nazizeit, es handle sich womöglich um “ein letztes Aufbäumen der NS-Geschichte“.
Das kann doch nur jemand sagen, der daran gewöhnt ist, dass sich die Probleme durch Aussitzen lösen lassen.