Eisernes Gesetz der Gewohnheit?

Zugegeben, mir liegt kein gesichertes Umfrageergebnis vor, und ich kann mich auch nur auf meine persönlichen Beobachtungen beziehen; aber mal ehrlich: wenn von Kunst die Rede ist, scheint noch immer die Vorstellung zu dominieren, das seien “schöne“ Bilder, die zum Schmuck an leere Wände gehängt werden können.

Was  es dagegen in zeitgenössischen Museen oder bei den Documentas zu sehen gibt, wird zwar durchaus interessiert wahrgenommen, teils bestaunt, teils mit Kopfschütteln quittiert; aber – so fragen sich viele – sollten etwa diese unbegreiflichen Erscheinungen tatsächlich etwas mit “Kunst“ zu tun haben?

Diese und ähnliche Fragen werden glücklicherweise ungelöst bleiben: sie sollen den zugehörigen Bereich unseres reflektierenden Bewusstseins auch in Zukunft in Spannung halten.

In Anonymität verloren

Wer kennt schon den Designer seines Autos? Die meisten  Menschen wissen nicht, wer der Architekt  des Hauses ist oder war, in dem sie leben. Und von den vielen praktischen Dingen, die wir täglich benutzen, ist uns nicht bewusst, dass auch sie alle erst einmal auf einem Reißbrett von einer anfänglichen Skizze zur Produktionsreife entwickelt werden mussten.

Zuvor existierten sie als Vorstellung im Kopf eines Menschen, der sie erdacht hat – ein Vorgang, von dem wir ebenfalls fast keine Ahnung haben, wie er vor sich geht.

 

 

 

 

Ach, und morgen schon wieder vergessen

Was für eine fabelhafte Bisoziation: Merkels Sparforderungen an die Griechen mit der Circe-Episode aus der Odyssee in Verbindung zu bringen!

Wie einst jene mythische Zauberin mit ihren magischen Künsten verwandelt hier die klassisch gewandete Dame die Männer in Spar-Schweine.

Erstaunlich, dass ein Zeichner sogar heute noch mit einem Publikum rechnen kann, das die Anspielungen versteht.

aus : SZ vom 25.Juni, 2012, S.4

Koexistenz in der Schirn

Gleichzeitig stellen dort gerade Jeff Coons und Michael Riedel aus. In einer Frühkritik des hr2 rezensierte Rudolf Schmitz die Riedel-Ausstellung.

Der Moderator gab zu bedenken. “Gleichzeitig mit Jeff Coons? Da säuft der doch ab?!“
Dazu Schmitz: “Nein, der säuft nicht ab. – Da sitzt die Fliege im Bernstein, und nebenan tanzt der Zirkuselefant.“

Noch bis Sonntag*

Dinge neu sehen zu lernen ist vielleicht die wichtigste Erwartung, mit der man durch Ausstellungen gehen sollte.  Leider wird sie nur  selten erfüllt.  Eva Yehs Arbeiten führen uns vertraute Objekte und Materialien tatsächlich so vor, dass sie wie aus einer anderen Welt zu stammen scheinen.

(Material: Bleistifte, Draht)

(Material: gebrauchte Filtertüten)

(Material: Briefe bzw. handschriftl. Texte auf farbigen Papieren)

(Katalogauszug)

*)  Metamorphose – Ausstellung der Arbeiten von Eva Yeh im
Oberhessischen Museum, Gießen.

 

 

 

 

Das Museum . . . ein Kontaktraum?

“Ja, genau“, sagte Jeff Koons in einem Interview*, “deswegen verbringen wir Künstler viel Zeit in Museen, nicht in Ausstellungen sondern in den Sammlungen. Es sind Räume, die außerhalb aller anderen Zusammenhänge liegen. Und sie stehen jedem offen, man kann dort selbst ungestört immer wieder neue Verbindungen herstellen über alle Zeitgrenzen und Orte hinweg. Ein großes, historisch gewachsenes Museum ist der aufregendste Ort, den es gibt . . .“

*) SZ 16./17.Juni 2012, p.V2/8