Hängen geblieben*

Neulich verhöhnte jemand in einer Rundfunksendung “die Gefühle, die wir aus dem Fernsehen importieren“.

Er hatte mit seiner Kritik sicher nicht Unrecht. Aber ist es nicht ohnehin so, dass jeder sich irgendwann die für den gesellschaftlichen Austausch nötigen Gefühlsäußerungen,  zumindest ansatzweise, abgucken muss, ehe jemand sie für sich zu etwas Eigenem machen kann?

Zum praktischen Vergleich lässt sich die Verwendung von Comicszitaten heranziehen – wenn jemand z.B. sein Bedauern durch ein “Seufz“ oder seine Verwunderung durch ein “Stutz“ zu erkennen gibt.

*) Der Titel bezieht sich auf die häufige Erfahrung, dass es in den täglichen Medienlawinen einzelne Mitteilungsbrocken gibt, die aus irgendwelchen Gründen länger im Gedächtnis haften, ehe auch sie in Vergessenheit geraten, falls man sie nicht notiert.

 

 

Ecce creatura

noch keine Stunde alt – in eine fremd-kalte Welt ausgestoßen
– zwar schon aufrecht, aber noch ungelenk herumstaksend und orientierungslos – ohne zu wissen, wie ihm geschieht – zu welchem Grad von Bewusstsein wird es vordringen?

Bei Wilhelm Busch las man noch:

 

Umgang mit Kritik

Sloterdijk über den Anspruch, den ein Schreibender an sich stellt bzw. stellen sollte:

“…Was andere Leute sagen, kommt in zweiter Reihe, man hat es ja in Form von Antizipationen in sich. Wenn man etwas geschrieben hat, schaut einem eine ganze Galerie von imaginären Lektoren über die Schulter. Hinschreiben kann ja jeder was.

Stehenlassen ist die eigentlich entscheidende Tätigkeit.

Wenn man auch unter Mithilfe der bösartigen inneren Lektoren etwas stehen lässt, dann steht es wirklich da.  …“*

Der Gedanke ist im Prinzip für jede Kunstausübung gültig.

*) SZ, 26.Okt.‘12

 

Gedankensplitter

Andere Zeiteinheiten als gebräuchlich:

Wie lange es dauert,
– bis man die heiß eingefüllte Suppe essen kann
– bis die Meisen ihren neuen Knödel “verputzt“ haben
– bis die streunende Katze wiederkommt
– bis einer die ersehnte Stille und Einsamkeit satt hat
– bis der appetitliche Bierschaum im Glas zergeht
– bis die Rosen in der Vase die Köpfe hängen
– bis man mit einer unvermeidlichen Arbeit beginnt
–  . . .

na, und so weiter – dies alles natürlich individuell sehr verschieden, aber wahrscheinlich doch innerhalb überschaubarer Parameter eingrenzbar.

Lesefrucht

Karl Philipp Moritz –
Reisen eines Deutschen in England im Jahr 1782

Eine Lektüre, die beim einen oder bei der anderen eher Kopfschütteln hervorruft? – Wäre durchaus begreiflich, wenn man den Text ausschließlich des anekdotisch erzählten Geschehens wegen lesen wollte.

Ganz anders, wenn mir der Bericht der Moritz’schen Befreiung aus seiner preußischen Schulfron zum Hintergrund meiner eigenen vielfachen Begegnung mit England und den englischen Verhältnissen dient. Mitzuerleben, wie sich da einer angesichts ganz fremder und freierer Verhältnisse der  heimatlichen Enge und Beschränktheit bewusst wird und zugleich mit den Augen des wohlwollend aufmerksamen Fremden die Absonderlichkeiten der anderen aufspießt, kann sehr vergnüglich sein und zur Rückbesinnung auf vergleichbare eigene Erfahrungen führen.

 

Betörter Blick

Es kommt wahrscheinlich gar nicht so selten vor, dass ein Betrachter etwas ganz anderes wahrnimmt, als was ihm der Photograph zeigen wollte. Hier z.B.  fällt wohl die von rechts “hereinschauende Dame“ mehr ins Auge als links die haarwaschende Friseurin.

Quelle: SZ v. 12.11.12

Merkbuchseite

(zurückgeblättert, ‘64/65)

(Tusche und Feder)

Musik kann man nicht malen; aber wo Musik entsteht, gibt es immer etwas zu sehen. Schwer zu sagen, ob und in welchem Maße Komponisten das “Schauspiel“ des Musizierens  bei der Komposition mit im Sinne haben.