Wir, die wir nicht die Sklaven unserer selbst sein wollten

“Klack“ – man drückt einen Knopf, und die Spülmaschine, die Waschmaschine, gelegentlich auch beide, beginnen mit der Arbeit. Man vernimmt ein mehr oder weniger sanftes Rummeln, ein Geräusch, das doch eigentlich Anlass zur Freude sein könnte, weil uns die lästige, bloß reproduktive, Arbeitsfron erlassen wird.

Aber sogleich melden sich die ökologischen Bedenken, und echte Workoholics müssen die Geräusche der Maschinen als dringende Mahnung empfinden, die frei gewordene Zeit nur ja nicht zu “verbummeln“, sondern sie so nützlich wie möglich mit kreativer und produktiver Arbeit zu erfüllen.

Solveighs Lied

Der Moderator (hr2) kündigte Griegs Evergreen mit einer kurzen Erläuterung an, es gehe bei dem Lied um die Erlösung des ruhelosen Mannes durch die liebende Frau, und er schloss mit der trockenen Bemerkung:

“An so was glaubte man zu Griegs Zeiten noch.“

 

 

Das Photo – immer nur ein Ausschnitt

Auch wenn sich heute mit geeigneten Programmen Photos zu einem kontinuierlichen Gesichtsfeld vernetzen lassen, die Photographie zeigt immer weniger, als was ich als Photograph gesehen habe. Was jenseits der Ränder des Photos lag und von der Aufnahme nicht erfasst wurde, bleibt unerbittlich abgeschnitten und ist meist unwiederbringlich verloren.

Deshalb gerät die Suche nach fehlenden Ergänzungen manchmal zu einer Jagd nach Kostbarkeiten: man fühlt sich wie jemand, der aus einer Schatzhöhle weggelaufen ist, ohne das Wichtigste mitzunehmen und ohne je dorthin zurückfinden zu können.

 

 

Gedicht kennenlernen einmal anders

Es ist wie an der Hand genommen und  zum Objekt der Bewunderung geführt zu werden: jemand wählt ein Gedicht aus, löst es aus dem Zusammenhang der üblichen Gedichtsammlungen, präsentiert es uns, allein für sich, in neuem Licht und neuer Bedeutung. Kein Wunder, dass es auf diese Weise so viel mehr an Aufmerksamkeit gewinnt.

Es wäre gut viel nachzudenken, um
von so Verlornem etwas auszusagen,
von jenen langen Kindheit-Nachmittagen,
die so nie wiederkamen – und warum?

Noch mahnt es uns –: vielleicht in einem Regnen,
aber wir wissen nicht mehr was das soll;
nie wieder war das Leben von Begegnen,
von Wiedersehn und Weitergehn so voll

wie damals, da uns nichts geschah als nur
was einem Ding geschieht und einem Tiere:
da lebten wir, wie Menschliches, das Ihre
und wurden bis zum Rande voll Figur.

Und wurden so vereinsamt wie ein Hirt
und so mit großen Fernen überladen
und wie von weit berufen und berührt
und langsam wie ein langer neuer Faden
In jene Bilder-Folgen eingeführt,
in welchen nun zu dauern uns verwirrt.

Aus Rilke – Neue Gedichte
Hier zitiert nach
Markus Gabriel – Warum es die Welt nicht gibt, Ullstein Vlg