Bagatelle 2014_3
Farbige Mischtechnik auf Papiermontage
Rahmengröße 21 x 21 x 1,6 cm
Archiv der Kategorie: Allgemein
Gedankensplitter
Dass man mit Zurückhaltung und Bescheidenheit in unserem Kulturbetrieb nicht weit kommt, wissen wir alle, und man sollte daher diese Tugenden nicht übertreiben. Aber solchen Rat benötigen unsere erfolgreichen Showgeschäftsleute nicht. Ihr Selbstbewusstsein scheint unter keinerlei Zweifeln zu leiden.
Gelegentlich hörte ich z.B. in einem Interview mit einem U-Musiker, wie er schulterklopfend von seinen Kollegen Bach oder Mozart redete und ihnen zubilligte, dass sie auch ganz schöne Musik gemacht hätten.
Die Sterne werden eben von der kleinsten Funzel verdunkelt, so lange die gerade mal brennt.
Neues aus dem Atelier
Merkbuchseite
Schlechte Zeiten für Graphologie?
Von Heiner Müller stammt der Satz “WER MIT DEM MEISSEL SCHREIBT, HAT KEINE HANDSCHRIFT.“
Das klingt so schön lapidar und glaubhaft – auf den ersten Blick; aber beim Betrachten alter Grabplatten stößt man rasch auf die besonderen Merkmale unterschiedlicher Zeiten und Regionen. Es lassen sich sehr wohl auch die charakteristische Schreibstile einzelner Steinmetze entdecken. Für Graphologen jedoch wird solches Anschauungsmaterial wenig ergiebig sein: nicht spontan genug, zu steif und sorgfältig, zu unpersönlich.
Dem Einmeisseln einer Schrift entspricht ein wenig das Schreiben in Druckbuchstaben. Es dient meist dazu, eine ausgeschriebene. wenig leserliche Handschrift durch formal kontrollierte Zeichen zu ersetzen, die der Leser dann möglichst zweifelsfrei erfassen kann. Auch dies bereitet dem Graphologen keine Freude. Immerhin: diejenigen unter meinen Freunden, die ausschließlich in Druckbuchstaben geschrieben haben, waren immer am Charakter ihrer Schrift leicht zu erkennen. Das lag an der Häufigkeit und Raschheit ihres Schreibens.
Und heute? Die Finger laufen über die Tastenfelder, der Text erscheint in den immer gleich präzisen unpersönlichen Zeichen – “…und schrieb und schwand…“ – wenig Gelegenheit, eine persönliche Handschrift zu entwickeln.
Im Vorbeifahren
Eines der vielen unlösbaren Probleme
Wahrscheinlich gibt es ebenso viele weise Sprüche, und vielleicht
haben sie eine befreiende Wirkung, wenn’s jemand wenigstens einmal ausspricht, z.B.:
Wie einfach wäre das Leben,
wenn sich die unnötigen Sorgen
von den echten unterscheiden ließen!
Heinrich Waggerl
Beim Nachdenken über Variationen
Selbstverständlich kann nur der ganz den Reiz von Variationen erfassen, der zunächst das Ausgangsstück (Bild oder Musik) kennt. Aber spricht nicht auch ein Variationswerk zu uns, dessen “Quelle“ uns unbekannt bleibt? Es hat doch offenbar auch dann einen eigenen Wert.
Begreift man einmal Variationen als eine Art Antwort auf ein Werk, kann man schließlich jedes neue Kunstwerk im weitesten Sinne als Abwandlung von schon Geschautem/ Gehörten verstehen.
Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang die Kulturbereiche, in denen wir ganz selbstverständlich freie Bearbeitung irgendwelcher Quellen erwarten, wie z.B. im Jazz oder bei der Verfilmung literarischer Vorlagen. Auch Übersetzungen sind zwangsläufig Bearbeitungen, also variable Umformungen, deren Urwortlaut wir selten kennen.
Musik als Foltermedium
Hieronymus Bosch – Ausschnitt aus dem rechten Flügel
des Gartens der Lüste
Kürzlich hörte ich vom Schicksal einer mir bekannten älteren Dame: bettlägerich und in vielfacher Weise hilfsbedürftig ist sie in einem Heim untergebracht, und zwar in einem Zweibettzimmer zusammen mit einer im Koma liegenden Frau, deren Mann dafür sorgt, dass sie ständig mit “heiterer Musik“ (HR3?) beschallt wird, um sie auf diese Weise womöglich wieder zu Bewusstsein kommen zu lassen. Eine Umlegung in ein anderes Zimmer ist angeblich aus organisatorischen Gründen nicht möglich.
Gesundheitsminister Rühe und Co. schert so etwas wenig; sie preisen uns die Wohltaten der Hospizbewegung und haben kein Verständnis für den Wunsch mancher Menschen, ein qualvolles Leben in aller Ruhe beenden zu können.