Beim Nachdenken über Variationen

Selbstverständlich kann nur der ganz den Reiz von Variationen erfassen, der zunächst das Ausgangsstück (Bild oder Musik) kennt. Aber spricht nicht auch ein Variationswerk zu uns, dessen “Quelle“ uns unbekannt bleibt? Es hat doch offenbar auch dann einen eigenen Wert.

Begreift man einmal Variationen als eine Art Antwort auf ein Werk, kann man schließlich jedes neue Kunstwerk im weitesten Sinne als Abwandlung von schon Geschautem/ Gehörten  verstehen.

Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang die Kulturbereiche, in denen wir ganz selbstverständlich freie Bearbeitung irgendwelcher Quellen erwarten, wie z.B. im Jazz oder bei der Verfilmung literarischer Vorlagen. Auch Übersetzungen sind zwangsläufig Bearbeitungen, also variable Umformungen, deren Urwortlaut wir selten kennen.

Musik als Foltermedium

150314

 

Hieronymus Bosch – Ausschnitt aus dem rechten Flügel
des Gartens der Lüste

Kürzlich hörte ich vom Schicksal einer mir bekannten älteren Dame: bettlägerich und in vielfacher Weise hilfsbedürftig ist sie in einem Heim untergebracht, und zwar in einem Zweibettzimmer zusammen mit einer im Koma liegenden Frau, deren Mann dafür sorgt, dass sie ständig mit “heiterer Musik“ (HR3?) beschallt wird, um sie auf diese Weise womöglich wieder zu Bewusstsein kommen zu lassen. Eine Umlegung in ein anderes Zimmer ist angeblich aus organisatorischen Gründen nicht möglich.

Gesundheitsminister Rühe und Co. schert so etwas wenig; sie preisen uns die Wohltaten der Hospizbewegung und haben kein Verständnis für den Wunsch mancher Menschen, ein qualvolles  Leben in aller Ruhe beenden zu können.

 

 

 

Gedankensplitter

Von Bayerns Ludwig II wird berichtet, dass er gelegentlich ein Werk seines Lieblingskomponisten für sich ganz allein vorführen ließ – für ihn, den König als genießenden Hörer und Zuschauer, unter Ausschluss jeglicher Öffentlichkeit.

Im Zeitalter fortgeschrittener Medientechnik könnte man denken, dieses Vergnügen – so es denn eines ist – stünde heute jedem für verhältnismäßig wenig Geld zur Verfügung; aber was immer auch man sich von seinen Audio- und Videogeräten vorspielen lässt, den Kick, den sich Ludwig II damals gegeben hat, können sie  nicht hervorrufen. Die Statistik weiß immer, wie viele Menschen – wenn auch jeweils für sich allein – mitgehört haben.

Woran man sie messen sollte:

Die Qualität eines Bildes:
an der Größe der Herausforderung durch Ungewohntes auf allen Bedeutungsebenen.

Die Qualität der Betrachter:
am Umfang ihrer eigenständigen Assoziationsfähigkeit beim Wahrnehmen der Bildelemente.

Abreißgedicht

Grüblerisches und Autistisches fand ich diesmal unter den neuen Aushängen im Literaturhaus. Aber da war auch etwas  für alle, die es total einfach und unkompliziert haben wollen:

Nadia Budde

Meinem Onkel Parzival
ist sein Äußeres egal,
und er findet:
eins ist wichtig …
wie du bist,
so bist du richtig

Aus: Und außerdem sind Borsten schön!
Wuppertal; Peter Hammer 2013

Ja, was ist denn da los?

70314

 

Schlange stehen heute mitten in einer deutschen Großstadt?
Und was sind das für Säcke?

Zur Abwechslung geht es nicht um die trostlosen Bilder aus Notzeiten – im Gegenteil:
fast täglich um die Mittagszeit bilden sich hier vor dem kleinen Kaffeeladen die Schlangen derer, die ihrer Arbeitsatmosphäre in der Mittagspause mit einem Espresso oder einer der vielen Kaffeevarianten entkommen und ein Schwätzchen in der frischen(?)Luft haben wollen. An sonnigen Tagen bilden sich plaudernde Gruppen mit ihren Kaffeetassen auch jenseits der Straße.

Und diese Mengen von Kaffeegenießern wollen versorgt sein. Hier sieht man eine Nachschublieferung, und wer könnte schon sagen, für wie viele Tassen das etwa reichen wird?

Es ist erstaunlich, auf welch kleinem und engem Raum man ein so erfolgreiches Geschäft betreiben kann.