Eigentlich mindestens so aufregend wie die alltäglichen Berichte in den Zeitungen: Efeustränge, die am Stamm eines Nadelbaums den Weg hinauf zum Licht suchen.
Es muss sich doch mancher schon gefragt haben, warum ausgerechnet der gute(?) Hirte als Vorbild eines Retters und Wohltäters gilt, wo längst jeder weiß, dass die Schafe nur regelmäßig geschoren und eines Tages geschlachtet werden.
Es kann gewiss nicht das Interesse des verlorenen Schafs sein, gefunden und in die zur Nutzung bestimmte Herde zurückgebracht zu werden. Gewiss, es handelt sich “nur“ um eine Parabel; aber auch im übertragenen Sinn darf man an zahlreiche Beispiele aus der Kulturgeschichte erinnern, bei denen gerade die nicht Angepassten, also die erfolgreich entlaufenen Schafe, keineswegs verloren waren, sondern Bedeutendes geleistet haben.
Passen – ursprüngliche Bedeutung so viel wie Schritte machen, weitergehen.
Davon denn auch das Verb ver-passen – und schon fallen einem all die Türen ein, an denen man vorbei ging, ohne zu merken, wie leicht man sie hätte öffnen können, Türen, die dann von anderen geöffnet wurden, und aus denen die anderen mit Erfahrungen heraustraten, die man besser hätte selber machen sollen.
Wer in der Gemäldegalerie die edel gerahmten Werke in ihrer (fast) unberührbaren Feierlichkeit betrachtet, denkt wohl selten daran, in welch armselig trivialer Umgebung sie womöglich einst entstanden sind und wie unachtsam sie vielleicht damals noch behandelt wurden.
Es ist uns immer selbstverständlicher geworden, Texte zur Erläuterung oder als Beleg durch passende Abbildungen zu ergänzen. Schade aber, dass es nicht in gleicher Weise üblich wird, Wortartikeln auch akustische Aufzeichnungen beizufügen.
Das ist zwar technisch schon längst möglich und würde auch bei häufigem Gebrauch viel leichter anwendbar werden, als jetzt noch z.B. das Eingeben und Abrufen einer Youtube-Sequenz.
Ich kenne niemand, der je die unzureichende Entwicklung des akustischen Bereichs der Kommunikationstechnik beklagt hätte. Vermutlich besteht kein Bedürfnis nach Mitteilung von Hörerlebnissen, und die Pioniere, die eine solche akustische Kommunikationskultur einleiten könnten, haben sich noch nicht geoutet.
Das heißt doch so, weil einst die Kardinäle gemeinsam in einem verschlossenen Raum (cum clave = mit Schlüssel), ohne Kontakt zur übrigen Welt draußen einen Nachfolger für das höchste Kirchenamt finden sollten.
Aber ist das eigentlich heute noch zeitgemäß und glaubhaft?
Auch wenn vielleicht nicht alle Kirchenfürsten twittern und die moderne Kommunikationstechnologie voll ausnutzen, so hat doch wohl jeder Kardinal sein Handy bzw. Smartphone in der Tasche?
Oder ist vielleicht die Sixtinische Kapelle zur funkfreien Zone nachgerüstet worden?
Fragen über Fragen . . .
Anderer Anfang
– Was schreiben Sie denn da?
– Ich weiß es noch nicht.
– Es sieht nach Dialog aus.
– (überrascht) So?
– Jemand sagt etwas, jemand antwortet.
– So scheint es.
– Ein Drama! Wie heißt es?
– Ich weiß es nicht.
– Warum schreiben Sie es dann?
– Wer schriebe es sonst?
– Es gibt doch genug Autoren, die Stücke schreiben.
– Aber nicht dieses.
– Dann eben ein anderes.
– (Dichter schweigt gekränkt)
– Wovon handelt Ihr Stück?
– Das weiß ich noch nicht.
Aus den Aufzeichnungen von Tankred Dorst
in Zusammenarbeit mit Ursula Ehlert, abgedruckt im
marbachermagazin 141
Deutsche Schillergesellschaft
Marbch am Neckar