Verblassender Ruhm

Zwar erzielen ihre Werke immer noch steigende Preise bei Versteigerungen, aber die Namen der großen Meister der frühen Moderne werden seltener genannt.
Z.B Fernand Léger. Es ist ziemlich still um ihn geworden.

Leger_Three_Sisters_1952

Die drei Schwestern, 1952

Ich sehe ihn gern wieder, wenn sich eine Gelegenheit bietet; aber manchen “Feinsinnigen“ ist er zu grob. Das mag damit zusammenhängen, dass er in sozialistischem Elan einfach verständliche Werke für die Werktätigen schuf, was sich als tragisches Missverständnis erweisen sollte; denn die arbeitende Bevölkerung hat den Künstler wohl nie als einen der Ihren aufgenommen.

Merkbuchseite

26613

 

(Farb- u. Bleistift)

abstrakt klärende Vorstudie für ein realistisch ausgearbeitetes Bild
– man sollte sich immer der möglichen Alternativen bewusst sein,
als Malender wie auch als Betrachter.

Von der Nützlichkeit der Bücher

Anwendungen, an die Gutenberg wohl nicht gedacht hat.
Dazu ein Eintrag in Lichtenbergs Sudelbüchern:

“Schreibt man denn Bücher bloß zum Lesen? oder nicht auch zum Unterlegen  im Haushalt?

Gegen eins, das durchgelesen wird, werden Tausende [nur] durchgeblättert, andere Tausend liegen stille, andere wieder werden auf Mauslöcher gepresst, nach Ratzen geworfen, auf anderen wird gestanden*, gesessen, getrommelt, Pfefferkuchen gebacken, mit [wieder] anderen werden Pfeifen angesteckt, hinter dem Fenster damit gestanden.“

Man sollte mal darauf achten, was bei uns alles mit Büchern angestellt wird, in einer Zeit also, in der die Mauselöcher wohl eher selten zu den Problemen gehören, die wir zu bewältigen haben.

*) Z.B. wenn ein etwas klein geratener Politiker ein Photo für sein Wahlkampfplakat benötigt.

Gedankensplitter

Es gibt Texte, z.B. von Benjamin oder von Adorno, bei denen ich mir zum besseren Verständnis einen kundigen Mentor wünschte, der die Lücken meiner gedanklichen Voraussetzungen ergänzen könnte.

Die üblichen Texte, die wir lesen und problemlos begreifen, bestehen häufig nur aus redundanten Sätzen, die also etwas sagen, was uns schon mehr oder weniger vertraut ist oder zumindest unseren Erwartungen entspricht, so dass wir den inhaltlichen “Neuanteil“ ohne Anstrengung, fast unmerklich aufnehmen.

Dagegen wirken Sätze, die überwiegend auf Noch-nicht-Gewusstem beruhen, wie Gleichungen mit beliebig vielen Unbekannten. Man kann sie zwar locker als Ganzes zu lesen versuchen, um eine generelle Tendenz auszumachen; es bleibt aber immer das unbehagliche Gefühl von Unschärfe und  Ungewissheit.

Zwischen Superzeichen und Supinum wäre sein Platz

“. . . Endlich ist Ruh’.
Mehr sagte er nicht, sondern supfte sorgsam das Schaumkäppchen von seinem Bier. . .“*

Er supfte(!)  – schade, dass man so selten auf echte neue Wortschöpfungen stößt,  zumal auf solche, die, wie in diesem Fall,  sofort verständlich sind, ja, fast notwendig erscheinen.

*) Aus Lewitscharoff – Blumenberg,
suhrkamp taschenbuch 4399, p. 208

 

Eigenwillige Methoden – aber nicht für jeden

Hans W. aus Rotterdam erzählte mir einmal von seinem Mallehrer an der Akademie: “Er stellte ein paar Flaschen, Gläser u. dgl. auf einen Tisch und sagte: ‘das ist ein Stillleben. Es empfängt Licht und wirft Schatten. Bitte fangen Sie an’. Daraufhin verschwand er für Stunden, bevor er sich zur Kontrolle der Ergebnisse  wieder einfand.“

Dies erinnert ein wenig an Flaubert als Pädagogen: der setzte den jungen Maupassant mit Schreibzeug vor einen Blumenstrauß und schloss ihn in ein Zimmer ein, bis der angehende Schriftsteller einen Text über das Blumenbouquet zu Papier gebracht hatte.

Mancher würde vielleicht bei solchen Verfahrensweisen den Mut verlieren. Aber ich kenne auch erfolgreiche Künstler, die als besondere Qualität ihres Lehrers hervorhoben: “der hat uns in Ruhe gelassen“.

 

 

 

Vom Glück, sich in der Arbeit vergessen zu können

Neulich las ich bei Nádas: “. . . Sorgsam mache ich jeden Tag etwas, das ich nicht nur nicht begründen kann, sondern für völlig sinnlos halte . . .

Schreiben ist das Einzige, was mir geblieben ist. Eine halbe Stunde, eine volle Srunde im Anschluss an die tägliche Vorbereitungszeit; danach die Erschöpfung. Es ist eine große Freude, so etwas machen zu dürfen–. Man verliert die Körperschwere, man beschäftigt sich nicht mehr mit dem Selbst, sondern überschreitet seine Genzen – und das ist das Einzige, was in der Welt zählt . . .“