(Farbstifte)
am liebsten ein Krüstchen
Wie reiz- und geheimnisvoll uns die Erinnerung an diesen “schrägen Vogel“ aus dem Expressionismus heute erscheint – und wie schwer es wohl damals für die direkt Betroffenen gewesen sein muss, die Künstlerin als reale Person zu ertragen!
Die Konsequenz aus dieser Überlegung darf aber nicht die rüde Ablehnung alles Phantastischen sein, wie es dem Spießer einfällt, der schließlich “entartete Kunst“ ausmerzt und Bücher verbrennt, sondern die Anstrengung, auch dann noch als “Geburtshelfer“ wirken zu wollen, wenn uns Kreativität in unangepasster Gestalt begegnet.
Ein Würfel sprach zu sich: “Ich bin
mir selbst nicht völlig zu Gewinn!
Denn meines Wesens sechste Seite,
und sei es auch ein Auge bloß,
sieht immerdar, statt in die Weite,
der Erde ewig dunklen Schoß.“
. . .
(aus
Christian Morgenstern – Der Würfel u.a.)
Immer wieder der Reiz der Ferne, der uns aus unüberbrückbarer Distanz anzieht – vergeblich, etwas in der Ferne reizvoll Lockendes in unmittelbarer Nähe erleben zu wollen – durchaus verwandt mit der Unmöglichkeit, der Nähe eines aus der Ferne bewunderten Menschen gewachsen zu sein und seine/ihre Anwesenheit sinnvoll nutzen zu können.
Immer wieder werden mit großpädagogischem Eifer Bedenken gegen die Grimmschen Märchen vorgetragen, in denen bekanntlich so grausliche Dinge geschehen, dass man die zarten Kinderseelen davor schützen müsse.
Merkwürdigerweise existiert gleichzeitig in Spielen, Filmen und Jugendbüchern ein lustvoller Umgang mit Seeräuberabenteuern, der offenbar für ganz unbedenklich gehalten wird, obwohl es in der realen Seeräuberei doch schlimm genug zugeht.
Was aber sind schon die Grimmschen Märchenunholde und die Seeräuberphantasien verglichen mit der Macht der Fernsehbilder, in denen die lieben Kleinen von früh an lernen, was bei uns im praktischen Leben Sache ist?
Warum wird vom Aberglauben häufig so verächtlich gesprochen? Ist er nicht ein uraltes Hilfsprogramm, um in den verschiedensten Ungewissheiten Entscheidungen treffen zu können, ein nie endendes Trial-and-Error Experiment, eine Lebenshilfe mit Placebo-Effekt, bei der Verstand und Logik nicht gefragt werden?
Gern wird die Anekdote erzählt, wie der Physiker Niels Bohr gefragt wurde, warum er an seinem Ferienhaus ein gefundenes Hufeisen angenagelt hätte. “Es ist ganz egal, ob ich daran glaube oder nicht“, soll er gesagt haben, “es hilft trotzdem“.
Und was unterscheidet nun den Glauben vom Aberglauben?