(Farbstifte)
Obsidian und Pflasterstein
Lüperts, Baselitz u.Co.: eine Kunst, die daherkommt, als ob sie das Werk gordische-Knoten-zerhauender Krieger wäre, und nicht wenige haben einen solchen Weg eingeschlagen, um sich von den viel bewunderten, unerreichbar klaren Meistern abzusetzen – inzwischen hat sich das Publikum an die “Rüpel“ gewöhnt wie die Stadtbewohner an die omnipräsenten, alles überziehenden Graffiti mit ihren penetranten Farben – und mit der Zeit lernt man auch sogar in diesem Bereich zwischen Könnern und bloßen Schmierern zu unterscheiden – also eigentlich alles so, wie das Neue sich seit je her durchzusetzen pflegt.
Wie uns die Erfahrung lehrt, dienen Sprachen zwar in erster Linie zur Verständigung innerhalb der jeweiligen Sprachgemeinschaft, aber zugleich auch dazu, diejenigen die mit der Sprache nicht vertraut sind, als Outsider auszuschließen.
Dies gilt natürlich auch für das Verstehen von Kunstwerken in ihren stilistischen Zusammenhängen, die sich wie Wortsprachen von einander unterscheiden und vergleichbar erlernt werden müssen, um “mitreden“ zu können.
Im Anschluss an die Lesung im HR2 noch ein wenig in Boccaccios Decamerone gestöbert. Als Literatur sind diese Texte heute wohl kaum noch genießbar, dagegen allerdings sehr interessant, um den Bewusstseinsstand zu begreifen, den die florentinische gebildete Gesellschaft in der Mitte des 14. Jhdts. erreicht hatte.
Die Naivitäten im Decamerone sind für den modernen Leser teilweise schmerzhaft beschämend, etwa wie wenn ich meine frühen Aufzeichnungen als Pennäler wieder lese: so(!) blöd also bin ich damals gewesen.
Schlimm auch der Gedanke, dass nicht nur ganze Nationen, sondern auch Teile unserer eigenen Gesellschaft auf einem vergleichbar unentwickelten Niveau verharren und die Bemühungen um die Bewohnbarmachung unserer Welt machtvoll verhindern.
Vielleicht gibt es nicht wenige, die diesen Satz, falls sie sich die Mühe machen, ihn zu lesen, nur über die Publikation auf dieser Briefmarke kennen lernen.
Es kommt wohl selten vor, dass man die Biographie eines bedeutenden Denkers, so wie hier, mit einem einzigen Satz auf den Punkt bringen kann.
Was die zitierte Maxime betrifft, darf man wohl sagen:
Schön wär’s, wenn sich dieser Wunschtraum erfüllt hätte.
Man hört öfters, dass “die“ Ägypter mit zunehmendem Nachdruck auf Rückführung altägyptischer Werke aus europäischen Museen nach Kairo drängen.
Dagegen ist vor allem einzuwenden: es waren jedenfalls nicht die Ägypter, die die Hieroglyphenschrift entziffert und als Archäologen durch akribische Such- und Sammeltätigkeit die Voraussetzungen geschaffen haben, um der Welt das großartige und detailreiche Bild vom alten Ägypten zu vermitteln, das heute zum Allgemeinwissen gehört.
Was wüssten wir über das alte Ägypten ohne Champollion, Carter u.a.? Hätte es ohne diese überhaupt jenes reiche Museum in Kairo gegeben, das “die“ Ägypter so wenig zu schützen vermögen?
“Es muss Spaß machen, das so spielen zu können.“
Gelegentlich hört man solch einen Kommentar zu einem souverain dargebotenen Musikstück, das scheinbar mühelos aus den Fingern eines Pianisten hervorperlt.
Wer so spricht, vergisst allerdings, dass die Zuhörer etwas ganz Anderes hören, als was der Virtuose darbietet. Er/sie vergisst, dass sich der Virtuose die Komposition durch den ganz unsentimentalen Lernvorgang und durch sein Üben analytisch zu eigen macht, bis sie sich für ihn in eine präzise inszenierte Vorlage für seinen Auftritt verwandelt hat. Die Darbietung vor Zuhörern kann dann durchaus lustvoll sein; aber das, was die Zuhörer an der Komposition entzücken mag, muss der Virtuose längst hinter sich gelassen haben.