Es gehört wohl zur politischen Bildung, dass man mit zunehmender Erfahrung lernt, allen offiziellen Verlautbarungen mit Zweifeln zu begegnen. Aber erst wenn man lang genug gelebt hat, erfährt man etwas über die tatsächlichen Hintergründe dessen, was man einst als ahnungsloser Zuschauer vor der politischen Bühne vielleicht ernst genommen hatte. Die ehemaligen Akteure nehmen ihre Masken ab, Insider plaudern aus ihren “Nähkästchen“, und in den Memoiren der Beteiligten werden die vormals hoch geheim gehaltenen Fakten zum Stoff für amüsante Anekdoten. Z.B.:
“Einmal kam der ungarische Außenminister Várkonyi zu Besuch. Da saßen die beiden zusammen, und Várkonyi begann, Witze zu erzählen. Dann begann auch Genscher, Witze zu erzählen. Im Kalten Krieg ließ sich auf diese Weise Vertrauen schaffen.
Irgendwann kam Genschers Sprecher Chrobog und fragte, was man nun der Presse erzählen könne.
Da schaute Genscher kurz den ungarischen Kollegen an und sagte: Berichten Sie Folgendes: wir haben einen sehr intensiven bilateralen Meinungsaustausch gehabt; wir sind uns aber auch darüber einig, das der KSZE-Prozess intensiviert werden muss.“
(Erinnerung von Genschers Büroleiter Frank Elbe in SZ 21.3.12)