Mehr “Wullst“ als Kunst

Wenn nicht der Name E.T.A. Hoffmann gefallen wäre, hätte ich das Gedicht sicher nicht aus der Zeitung (irgendwann vor 1980) ausgeschnitten und aufgehoben; aber auch ein so beispielhaftes Misslingen kann ja zur Klärung beitragen:

Hans Pfitzner

Sonett an E.T.A.  Hoffmann 

Genialer Kobold, lichter Satanas,
Zuhause nur in Künsten und in Träumen,
Dich lud die Erde nicht zu langem Säumen
Als frohen Gast behaglich ins Gelass.
Nein, unstet und verfemt von jenem Hass
Begleitet, der den Seelen muss entkeimen,
Die, neidvoll nur, wenn Nektarbecher schäumen
Beiseite sitzen hinter schalem Nass.
So blitzt Du uns, der Schwere bar, vorbei.
Und wo Du hinrührst, muss es blühn und sprühen
Voll Leben; doch der Liebesschmerzensschrei
Erstickt das heiße Herz mit Ironien.
Der Wahnsinn krallt nach Dir mit krauser Tatze –
Dein Weinglas fliegt ihm klirrend in die Fratze.

Sehr schwach! – da hilft auch nicht der Hinweis auf den zu seiner Zeit obligatorischen Expressionismus –  Pfitzner hätte besser daran getan, beim Komponieren zu bleiben.

Hingucker

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Sieht beim Vorbeifahren nach Kunst aus – ungewohnter Anblick hier und da in unserer Gegend – offenbar eine mit vielen “Mitspielern“ abgestimmte Aktion – ist das nicht sogar eine archaische Tradition, vertikale Male zu errichten und sie zu schmücken? –  Wer tut so etwas? und wer darf das? ­–

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Endlich wird einer mal etwas deutlicher:

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Man wirbt für die Gartenschau in Gießen.

 

Gedankensplitter

Von André Gide als Autor gingen zu seiner Zeit starke Impulse aus.
Heute scheint sein Werk seltener erwähnt zu werden, und neue Sterne beherrschen den literarischen Himmel.

Mir hat sich besonders ein bemerkenswerter Satz des Autors unvergesslich eingeprägt:

“Le monde sera sauvé par quelques-uns.“*

Er kam mir jetzt wieder in den Sinn, als die erstaunliche Wirkmacht offensichtlich wurde, mit der ein einzelner Künstler ein riesiges Weltreich herausfordern kann. Ai Weiwei kann natürlich nicht “die Welt retten“, aber er bewirkt mehr als Millionen seiner  Mitbürger, die sich, wie er, über politische Bevormundung und undemokratische Verhältnisse empören.

Übrigens: durch die Behandlung Ai Weiweis haben sich die Machthaber nicht nur weltweit kompromittiert, sie haben auch gegen ihre eigenen Interessen gehandelt; denn kein Staatsbesuch hat so viel öffentliche (auch positive!) Aufmerksamkeit für das Reich der Mitte bewirken können wie die Kunstaktionen des  Künstlers Ai Weiwei.

*) Der Satz stammt aus einer Veröffentlichung um 1950, leider ohne Quellenangabe.
“Je crois à la vertu du petit nombre; le monde sera sauvé par quelques-uns“ (etwa: Ich glaube an die Kraft der geringen Anzahl; die Welt wird von [einigen] wenigen gerettet werden.)

 

 

 

 

 

Gedenken an Christian Morgenstern

Auch wenn es anderen als subjektive Marotte erscheinen mag,
mich hat seit vielen Jahren die avantgardistische lyrische Freiheit gerade dieses Gedichts bewegt:

Gleichnis

Palmström schwankt als wie ein Zweig im Wind…
Als ihn Korf befragt, warum er schwanke,
meint er: weil ein lieblicher Gedanke,
wie ein Vogel, zärtlich und geschwind,
auf ein kleines ihn belastet habe –
schwanke er als wie ein Zweig im Wind,
schwingend noch von der willkommnen Gabe…

Liest man, mit dieser Lyrik im Sinn, Morgensterns Biographie, reich an Kummer, Wirrnis und Umwegen, stellt man beglückt fest, dass es ihm gelungen ist, eine Ausdrucksform zu finden, die das Elend lächelnd vergessen machen kann.

 

 

Sparbrötchens Architekturideal

Es waren keineswegs immer Prachtbauten, die unsere Vorfahren für ihre Bürgermeister und Ratssitzungen errichten ließen; aber würdevoll und ansehnlich waren sie allemal, weshalb sie – soweit die Furie des Verschwindens sie übrig gelassen hat – bis heute für Touristen und Photographen zu Hauptanziehungspunkten ihrer Städte geworden sind.

Ob freilich dieses Gebäude* –

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– dereinst einmal zu einem Besuch der alten Reichsstadt Wetzlar anregen wird, darf bezweifelt werden.

Vielleicht haben es da die Limburger besser; denn die leidigen Querelen werden bald vergessen werden; aber die Domstadt ist nun um eine Touristenattraktion reicher geworden.

*) geplante Kreisverwaltung lt. WNZ

Pareidolie

In einem Gedicht* von Ringelnatz heißt es:

. . . im Faltenwurfe einer Decke
Klagt ein Gesicht,
Wenn du es siehst. . .

Offenbar gehörte R. auch zu den Menschen, die spontan auf die vielen anthropomorphen “Gebilde“ reagieren, denen man in unserer Umwelt begegnen kann. Natürlich kommt es dabei auf dieses “Wenn du es siehst“ an.  z.B.

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(Bleistift, Ausschnitt aus einer Merkbuchseite)

*) Aus: Die schönsten Gedichte von Joachim Ringelnatz – bei Diogenes.
Gedichttitel: Komm, sag mir, was du für Sorgen hast