(Farbstifte)
Wie viele Einzelheiten doch geopfert werden müssen, um wenigstens den Gesamteindruck aufs Blatt zu bekommen: wie bei einem Räuber in der Schatzhöhle, der nur mitnehmen kann, was seine Hände fassen.
In unmittelbarer Nähe zum Jerusalemhaus* hat sich eine beliebte Schuhmacherei in einem der Altstadthäuser eingerichtet, und, wie bei historischen Gebäuden häufig, findet sich auch hier eine Plakette mit historischem Hinweis:
Die schalkhafte Bezugnahme auf Goethes zeitweilige Anwesenheit in Wetzlar wurde durch das Kleingedruckte ergänzt. Dabei ist nicht einmal sicher, dass J.W.G. nie in diesem Hause gewesen ist.
*) siehe Die Leiden des jungen Werthers
Unsere Soldaten, so berichten die Medien, sollen künftig ein normales bürgerliches Familienleben im Kreise ihrer Lieben führen können. Andererseits müssen wir jetzt auch in Zentralafrika verteidigt werden, was dem soldatischen Familienleben nicht zuträglich ist.
Da wundert es mich, dass Frau von der Leyen noch immer zögert, die hübschen neuen Kampfdrohnen anschaffen zu lassen; denn wenn man es recht bedenkt, ließen sich doch gerade durch diese neue Luftwaffe die aktuellen Probleme auf einen Schlag lösen:
Nicht wenige Leute, die hauptsächlich am Computer arbeiten, nehmen inzwischen ihre jeweiligen Jobs mit nachhause, wo sie ihre Aufgaben im häuslichen Milieu erledigen. Ließe sich das nicht auch für die Bundeswehr einführen: nach einem sorgfältigen Briefing kennen die “Telepiloten“ die Ziele und Aufgaben, sie gehen heim und arbeiten in aller Ruhe die Liste mit den Fernschlägen ab. Würde wahrscheinlich auch den Kindern Spaß machen, manchmal bei Papa zuschauen zu dürfen, wenn sie noch nicht ins Bett müssen.
Unsere Zeit, geprägt durch zunehmende und gesteigerte zwischenmenschliche Beziehungslosigkeit, während umgekehrt proportional die Möglichkeiten der Kommunikationstechnik wachsen und weiter entwickelt werden: lauter Robinsons auf ihren öden Inseln, die immer mehr vergebliche Signale an potentielle Retter aus der Einsamkeit senden?
Eine viel befahrene Straße führt an diesem Gebäude vorbei. Seit Jahren wundere ich mich darüber, dass es immer noch nicht in sich zusammengefallen ist, sondern offenbar sogar – wie die Bedachung zeigt – sorgfältig erhalten wird.
Jemand, der die Bundesrepublik als bedürftiges Entwicklungsland darstellen wollte, würde vielleicht gern das Häuschen als Beispiel der Verwahrlosung vorführen. Dabei würde man aber feststellen, dass solche Gebäude in unserer eher monoton perfektionierten Welt sehr rar geworden sind und möglicherweise schon deshalb so etwas wie architektonischen Artenschutz verdienen.
Bloß nicht zu viel nachdenken müssen, wie die Gerichte entstehen, die wir gerne essen.
Dass sich z.B. ein Pudding, nahrungsmitteltechnisch gesehen, aus bestimmten chemischen Substanzen zusammensetzt, weiß man wohl, oder man kann es zumindest wissen; aber vergeht mir nicht die Lust am Pudding, wenn ich beim Essen dieses Wissen nicht vergessen kann?
Nicht genug damit, dass die angebotenen Produkte wirklich gut sind, den Kunden soll auch sprachsymbolisch die Hochwertigkeit der Textilien bewusst gemacht werden, mit denen sie sich durch den Kauf umgeben.
Beim Durchblättern eines Katalogs fiel mir die Häufung gewisser Fachausdrücke auf, mit denen der Jargon der Experten angereichert ist:
Tragekomfort
querelastische Qualität
weitenverstellbar
Hose mit Anti Smell-Finish
langstapelige Baumwollfasern
kombinierfreudige Hemden
kernige Optik
freizeitlich-gepflegter Outfit
outdoortauglich
klimatisierend
markante Steppung
formstabil
Leder mit Antik-Finish
Happy Office-Hemd
pflegeleicht dank Easy Care-Veredelung
kontrastfarben* angenähte Knöpfe
farbige Noppen aus Effektgarn
schadstoffgeprüft
bi-elastisches Gewebe
. . .
usw.
*) bemerkenswert: die adverbielle Verwendung