Edel geschwungenes Fallrohr

16613

 

Porticus, heute Literaturhaus Frankfurt, Südwestecke.

Bei einer Gesamtansicht fallen dergleichen Details kaum auf, wie wir sie ja gewöhnlich auch beim Gedanken an interessante Gebäude ausblenden, sofern sie nicht wie die mittelalterlichen Wasserspeier eine architektonisch markante Rolle spielen.

Ob nun interessant oder nicht, diese Installationen sind notwendig und werden von der Bauaufsicht eingefordert. Wenn Fallrohre nachträglich angebracht werden, wie es anscheinend hier geschah, stellt sich für Architekt und Installateur eine Aufgabe, die sie oft leider überforfert.  Wie man an meinem Beispiel sieht, geht es dabei um nicht weniger als um ein Zusammenwirken von Bildhauerphantasie und Handwerksperfektion.

 

 

Schwierige Symbiose

So ist das doch seit eh und je: Bürger und Chaoten hassen sich gegenseitig.

Dialektisch gesehen sind sie aber aus materiellen und psychologischen Gründen zwingend auf einander angewiesen. Sie hätten also allen Grund, die jeweils Anderen zu fördern.

Dem steht nun wieder entgegen, dass einer kein richtiger Bürger ist, wenn er zu viel Verständnis für die Chaoten hat, und umgekehrt macht sich ein Chaot unglaubwürdig, sobald er sich auf das Einhalten von Regeln einlässt. Die Kontrahenten müssen hassenswert bleiben.

Offenbar geht es also nur darum, den unvermeidlichen Konflikt in einer erträglichen Balance zu halten?

“talibanesk“

Noch vor nicht langer Zeit war die Rede davon, dass Kunstschätze aus unseren Museen in das Land ihrer Entstehung zurückgeführt werden könnten; besonders auf die Büste der Nofretete hatten es die Ägypter abgesehen.

13613

Wie gut, dass aus diesen Absichten (vorerst) nichts geworden ist.

In der heutigen SZ liest man in einem Bericht über Abdel-Aziz, den neuen, den Muslim-Brüdern nahe stehenden Kultusminister:

“. . . Vielfalt hat im Kultur- und Kunstbegriff politisierender Islamisten keinen Platz: weder die pharaonische noch die christlich-koptiche Kultur, geschweige die afrikanische oder die modern-säkulare.

Die radikalsten unter den Predigern versteigen sich zu talibanesken Ideen. Sie wollen die altägyptischen Statuen entweder zerschlagen oder die Figuren mit Wachs überziehen, . . .: Reinheitsphantasien für den öffentlichen Raum . . .“

 

Unsichtbar – und doch vorhanden

Was uns in unzählbaren Momenten die Lebenserfahrung lehrt: wir verlassen uns auf unser Wissen von etwas, auch wenn es für uns sinnlich nicht erfassbar ist. Vermutlich wird allgemein unterschätzt, was wir alles “auf gut Glück“ ergänzen. Entsprechend heftig der Schock, wenn unsere Erwartungen enttäuscht werden.

Wie das Ergänzen funktioniert, kann jeder leicht  am Beispiel einer Graphik überprüfen:

12613

 

Spontan wird man in dem eingerahmten Feld* zwei Gegenstände sehen: eine torartige Form und dahinter  etwas waagerecht Liegendes.

Zweifel an dieser simplen Betrachtung kommen erst auf, wenn ich frage, wie viele Flächen in dem eingerahmten Feld zu sehen sind,   2, 3, 4, 5, oder 6?  –  und Zweifel müssen bei genauer Betrachtung auch aufkommen,  wenn man sich fragt, ob das, was hinter dem “Tor“ liegt, vielleicht gar nicht aus einem zusammenhängenden Stück besteht.

*) nicht der äußere, dünne Rahmen, den mir hier die Technik ungefragt um das gezeichnete Rechteck legt.

 

 

Pareidolie

Noch nie gehört,  das Wort; aber schön, dass es einen Begriff gibt für die lebenslange Erfahrung, in dem zufälligen Beieinander von Gegenständen Gestalten und Gesichter zu er-kennen, Gesichter von eigenem Charakter und unterschiedlichster Stimmung, die man zuvor noch nie gesehen hat. Hier zum Beispiel herumliegende Kleidungsstücke:

10613

10613_4

10613_2

10613_5

 

10613_3

10613_6

Übrigens: ganz interessant, was man zu dem Stichwort ergoogeln kann.

 

 

Eine Frage der Orientierung

Unterliegt nicht die Gestaltung von Gebrauchsgegenständen einer geradezu absurden Beliebigkeit?  Man kauft ein neues Handy, und obwohl es ungefähr die gleichen Funktionen hat wie das Alte, muss man ein neues Bedienungssystem lernen: was vorher links oben rot war, ist jetzt rechts unten grün usw.

Da wundert man sich, dass es immer noch ganz untypische Beständigkeiten gibt, z.B. bei den in der Wäsche eingenähten Etiketten  – immer hinten im Bund bzw. hinten am Halsausschnitt. Das hat sich offenbar als unantastbar nützlich erwiesen und schon manchem bei der Frage geholfen, wo vorn und hinten ist.

 

 

 

 

Der Krimi, eine Art “Soziometer“

(Bei der Lektüre von John Le Carré – Call for the Dead)

Krimis sollen natürlich vor allem spannende Unterhaltung bieten; aber Krimis, zumal wenn internationale Verwicklungen eine Rolle spielen, sind auch Indikatoren der tatsächlich vorherrschenden Vorurteile und Empfindungen gegenüber unterschiedlichen Gruppen der eigenen Gesellschaft wie auch gegenüber den Angehörigen anderer Nationalität. Fast unmerklich übernehmen die auf die Lösung der Kriminalfälle konzentrierten Leser bei der Lektüre ganz nebenbei die  bedenklichsten Vorurteile und Meinungen.

Political Correctness, wie sie im öffentlichen Diskurs  überwiegend eingehalten wird, hat offenbar im Krimi nichts verloren: Gewaltphantasien, Sexismus und Machotum, Illegalität verschiedenster Art und anderes mehr werden augenzwinkernd abgehandelt, wie wenn man “unter sich“ ist, und als ob man voraussetzen dürfte, dass korrektes Verhalten nur eine vom Wissenden leicht zu durchschauende Äußerlichkeit wäre.

Haben Krimis vielleicht eine Ventilfunktion für die mühsam unterdrückten asozialen Regungen der ansonsten leidlich sozialisierten Menschen?